Die Geschichte der Protestanten in Stockstadt

Chronik zum 25-jährigen Jubiläum des Gemeindehauses im Jahr 1994. Geschrieben von Günther Bittroff.

Nach der Reformation, etwa um 1600, kamen vereinzelt evangelische Christen nach Stockstadt. Die Müller der Fernmühle waren solche, denn die Mühler gehörte zu dieser Zeit den Grafen von Hanau. Später fiel die Mühle einer katholischen Familie zu.

Im 18. Jahrhundert gab es über einen längeren Zeitraum keine evangelischen Bürger in Stockstadt. Erst als der Ort im Jahre 1814 bayrisch wurde, kamen viele Beamte aus dem Raum Nürnberg an den Untermain, die evangelisch waren.

Im Jahr 1830 wurde der erste evangelische Gottesdienst in Aschaffenburg nach dem 30jährigen Krieg gefeiert. Die geringe Anzahl von Protestanten in Stockstadt wurden von Hanau und Schaafheim betreut. Erst seit 1839 zählen die Stockstädter zu der neu errichteten Kirchengemeinde Aschaffenburg. Jedoch hatten zu diesem Zeitpunkt nur wenige evangelische Christen ihren Wohnsitz in Stockstadt. Erst als die Zellstofffabrik gegründet wurde, zogen auch Arbeiter evangelischer Konfession nach hier. Die Kirchenbücher des Pfarramtes Aschaffenburg wiesen um die Jahrhundertwende die ersten Taufen von Kindern aus Stockstadt auf.

Vor den ersten Weltkrieg gab es höchstens 40 Evangelische in Stockstadt, sie kamen im Kindergarten zu Gottesdiensten zusammen. Diese wurden von Vikaren aus Aschaffenburg abgehalten. Nach dem zweiten Weltkrieg wuchs die Gemeinde durch Heimatvertriebene auf zunächst 400 Mitglieder an. Die Gottesdienste fanden im Hause der Familie Henneberg statt. Aus Platzmangel mußten einige Gläubige immer auf den Treppenstufen sitzen. Den Mesnerdiest hat in dier Zeit Herr Itzel versehen.

Im Jahre 1949 bekamen die evangelischen Christen die Möglichkeit eingeräumt, ihre Gottesdienste 14-tägig in der katholischen Leonarduskirche abzuhalten.

1958 wurde das sogenannte Jugendheim bezogen; es war eine Baracke des ehemaligen Flüchtlingslagers Hammelburg. Zum ersten Mal hatte die evangelische Gemeinde einen eigenen Gottesdienstraum zu ihrer Verfügung, in welchem allerdings nicht das Sakrament der Taufe gespendet werden durfte. Konfirmationen, Trauungen und Taufen wurden in der Christuskirche in Aschaffenburg gefeiert. Zu den Gottesdiensten kamen ebenfalls Vikare aus Aschaffenburg.

In den 50er und 60er Jahren waren es besonders die rührigen Eheleute Schaer, die sich für die Gemeinde einsetzten, den Mesnerdienst versahen und eifrig für den Bau einer festen Kriche sammelten. Es gelang Herrn Schaer 1953 einen Kirchbauverein zu gründen und einen Stamm von Sammlern und Sammlerinnen zu werben, die sich bemühten den finanziellen Grundstock für einen Kirchbau zusammenzutragen.

Die rührigsten Sammler und Sammlerinnen sollen hier genannt werden, es waren dies:

Frau Kirschner, Frau Sawiljev, Frau Fritz, Frau Krahmer, Frau Schewe, Frau Duttine, Frau Rudert, Frau Wenzel und die Herren Keil und Schaer. Den Vereinsvorsitz übernahm Herr Ostermann. Kassierein war Frau Ruth Lang. Angespart wurde die stattliche Summe von mehr als 50.00 DM.

Schon bald konnte ein Grundstück von der Zellstofffabrik erworben werden. Dies war möglich, da der damilige Direktor Dyroff der evangelischen Gemeinde sehr positiv gegenüber stand. Es handelte sich um das Grundstück in der Samperschlagstraße, auf welchem heute unser Gemeindehaus steht. Der Preis betrug damal 16,-- DM / m².

Im Jahre 1964 wird Stockstadt Teil der neu errichteten Kirchengemeinde Aschaffenburg St. Lukas mit dem Sitz in Leider. Der erste Pfarrer ist Günther Buhl.

In den folgenden Jahren kam reges Leben in die St. Lukas-Gemeinde. Der erste Kirchenvorstand wurde gewählt; aus Stockstadt gehörten ihm die Herren Walter Schewe und Günther Bittroff an.

Zahlreiche Informations- und Gesprächsanbende fanden statt, zu denen häufig Referenten aus den verschiedensten Landesgebieten geladen wurden. Die Stockstädter mußten zu solchen Veranstaltungen meist nach Leider fahren.

Inzwischen stieg die Zahl der evangelischen Christen in Stockstadt auf ca. 800. Mehrere Pläne zum Bau einer festen Kirche wurden von der Landeskirche in München verworfen und stattdessen der Bau eines Gemeindehauses vorgenommen, dessen 25-jähriges Jubiläum wir heute feiern.

Da das Grundstück vorhanden war gab es diesbezüglich keinerlei Probleme. Das Haus selbst wurde von der Landeskirche mit ca. 100.00 DM finanziert, die Inneneinrichtung mußte von der Gemeinde aufgebracht werden. Dazu gehörten: Altar, Kanzel, Taufbecken, Altarkreuz, Kerzenhalter, Wandteppich, Kerzen, Lampen, Gardinen und die Bestuhlung. Außerdem wurd ezunächst eine kleine elektrische Orgel angeschafft. Zahlreiche Frauen aus der Gemeinde halfen freiwillig bei der Ausgestaltung der Räume mit.

Das Gemeindehaus wurde im Juli 1969 fertiggestellt. Der Umzug von der Baracke in das neue Haus konnte vorgenommen werden. In einem feierlichen Gottesdienst überreicht der damalige Kreisdekan, Oberkirchenrat Rieger, die Schlüssel des neuen Gotteshauses an Pfarrer Buhl.

Damit bestitz die evangelische Gemeinde ein eigenes geistliches Zentrum, das 1974 um einen Raum erweitert werden mußte. Der Grund dafür war das rege Leben, welches nunmehr in dem neuen Haus aufblühte:

So entstanden drei Jugendgruppen, die von Frau und Herrn Kraak, sowie von Frau Christine Stiller geleitet wurden. Es entstand weiterhin eine Seniorengruppe unter Leitung von Frau Hildegard Arent, die diesen Dienst auch heute noch versieht.

Die regelmäßigen Kindergottesdienste wurden gut besucht; die Leitung teilten sich damals Sylvia Arent, Siegrid Kapanke, später auch Susanne und Andrea Niesner und Elke Fritz.

Nun fanden auch in Stockstadt in 14tägigem Abstand regelmäßig Bibelstunden unter Leitung von Pfarrer Buhl statt. Zusammen mit der katholischen Gemeinde wurde ein ökumenischer Gesprächskreis ins Leben gerufen; Kinderfeste, Adventsnachmittage und Faschingsfeiern wurden veranstaltet.

Im Jahr 1976 verläßt Pfarrer Buhl die St. Lukas-Gemeinde und Pfarrer Hartmut Gehlert wird sein Nachfolger. In den folgenden Jahren wächst durch Zuzug in den Neubaugebieten die Anzahl der evangelischen Einwohner in Stockstadt. Um eine bessere geistliche Versorgung zu ermöglichen wird der Ort 1982 der neu errichteten Kirchengemeinde St. Markus mit Sitz des Pfarramtes in Kleinostheim, eingegeliedert.

Als erster Pfarrer der St. Markus-Gemeinde wird Pfarrer Martin Eisen am 19. September 1982 in sein Amt durch Dekan Merz eingeführt.

In dem ebenfalls zu St. Markus gehörenden Ort Mainaschaff erhält ein Pfarrer z.A. seinen Sitz. Als erster Pfarrer z.A. nimmt hier Pfarrer Kurt Hyn seine Tätigkeit auf. Seine Nachfolger sind bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt (September 1994) die Pfarrer Bernd Kampf und Hans-Martin Meuss.

Während der Amtszeit von Pfarrer Martin Eisen (1982 - 1991) waren in Stockstadt die Lehrvikare Eberhard Wunder und Andrea Borger tätig, Vikar Matthias Eckert ging mit Pfarrer Eisen 1991 nach Höchberg bei Würzburg.

Es muß hier erwähnt werden, daß die Vikarin Frau Borger sich ganz besonders für den Gemeindeteil Stockstadt eingesetzt hat. So entstand durch ihre Initiative ein Team engagierter Frauen aus der Gemeinde, das unter Leitung von Frau von Auer Familiengottesdienste vorbereitet und durchführt.

Durch die Mitwirkung zahlreicher Kinder und die hervorragende musikalische Umrahmung finden diese Familiengottesdienste in der Gemeinde große Beachtung und Zustimmung. in diesen Jahren werden auch regelmäßig Lobpreisgottesdienste abgehalten.

Der Seniorenkreis trifft sich regelmäßig unter der Leitung von Frau Arent, ebenso der Bibel- und Gesprächskreis, den Frau Arent und Herr Ostermann auch heute noch gemeinsam leiten.

Wichtige Neuanschaffungen konnte die ev. Gemeinde in diesen Jahrem im wesentlichen aus eigener Kraft vornehmen. Allerdings soll hier auch der politischen Gemeinde für einen Zuschuss von 1397,-- DM und der Reiffeisenbank für einen solchen in Höhe von 1000,-- DM gedankt werden.

Im Einzelnen wurden angeschafft:

Neue Orgel (54000 DM)
Kücheneinrichtung (5000 DM)
Wandteppich (12000 DM)
Abendmahlskelch (2500 DM)
Verstärkeranlage 8100 DM
Fahnenstange mit Fahne (6000DM)
 
Hier soll auch einmal der Geldverwalterin unserer Gemeinde, Frau Ruth Lang, ein herzliches Dankeschön für die langjährige Führung der Konten und Kassenbücher gesagt werden.
 

Im Jahr 1989 wurde das 20jährige Jubiläum des Gemeindehauses gefeiert. Pfarrer G. Buhl hielt die Festpredigt; er war zu diesem Anlaß extra aus München gekommen. Ebenso waren sehr viele ehemalige Stockstädter der Einladung gefolgt und zur Feier dieses Tages in unser Gemeindehaus gekommen, darunter besonders zahlreiche Mitarbeiter der ersten Stunde.

Die neue Orgel wurde von der Gemeinde mit Freude und Zustimmung begrüßt. Sie wurde in den ersten Jahren von Andrea Niesner, Susanne Niesner und aushilfsweise von Frau Schwarzkopf (Kleinostheim) und Herrn Zoltner (Aschaffenburg) gespielt. Nicht vergessen soll hier werden, dass auch Frau Haak und Herr Lehrer Weber von der katholischen Gemeinde öfters eingesprungen sind und der ev. Gemeinde aus der Verlegenheit geholfen haben. Herzlichen Dank dafür.

Seit Bestehen des Gemeindehauses wird der Mesnerdienst durch eine Gruppe von Frauen aus der Gemeinde versehen, denen an dieser Stelle auch herzlich gedankt werden soll. Es sind bzw. waren dies die Frauen Schaer, Bauer, Bittroff, Arent, Lang, Kotschka und Fritz.

Im Juni 1992 übernimmt das Pfarrerehepaar Monika und Heinrich Arweck die St. Markus-Gemeinde. Beide werden am 11.10.1992 von Oberkirchenrat Dr. Ernst Bezzel ordiniert.

Pfarrer Arweck kann bald wieder den Kindergottesdienst ins Leben rufen, dank der Frauen Herzog, Schlereth und Kneisel, die sich für diesen Dienst zur Verfügung stellen.

Frau Arweck gründet eine Mädchengruppe, die sich wöchentlich im Gemeindehaus trifft.

Insgesamt ist festzustellen, daß mit dem Ehepaar Arweck das Gemeindeleben auch in Stockstadt wieder reger geworden ist. Es ist zu wünschen, daß für diefür die Zukunft geplanten Aktivitäten, wie Krabbelgottesdienst und Spielkreis, ein segensreicher Erfolg beschieden sei.